
Prävention statt Paragrafen
Das „Haus des Jugendrechts“ in Bad Cannstatt - Vorreiter für ganz Deutschland
von Isabelle Steinmill
Stuttgart - Die letztjährige Statistik des Bundeskriminalamts
belegt einen Anstieg der
Gewaltkriminalität bei Kindern und Jugendlichen.
Da Täter unter 14 Jahren in Deutschland
nicht strafrechtlich belangt werden
können, keimt im Kontext der Entwicklung
immer wieder die Diskussion um die
Herabsetzung der Strafmündigkeit auf. Das
Haus des Jugendrechts in Stuttgart zeigt, dass
es auch andere Möglichkeiten gibt, langfristig
positiv auf diese Problematik einzuwirken.
Wird in Deutschland ein junger Mensch unter 14
Jahren straffällig, heißt das nicht unbedingt, dass
nichts passiert. Jedoch kann der Täter oder die
Täterin nicht nach dem Strafrecht, sondern nur
nach dem Kinder- und Jugendhilferecht belangt
werden. Dadurch können sich sozialpädagogische,
psychologische oder erzieherische Maßnahmen,
unter Umständen auch eine Heimunterbringung,
ergeben. Man geht davon aus, dass Kinder unter
14 Jahren in der Regel nicht über die nötige Einsichtsfähigkeit
verfügen, um das Unrecht einer Tat
in seiner ganzen Tragweite zu erfassen, weshalb
sie als strafunmündig gelten.
Strafmündigkeit Hoch setzen?
In Deutschland wird immer wieder diskutiert,
die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre herabzusetzen,
nicht zuletzt deshalb, weil es für die Opfer
unerträglich sein kann, wenn die Straftat straffrei
bleibt, aber auch darum, weil man eine frühe Strafe
als rechtzeitige Abschreckung betrachtet. Gegner
argumentieren wiederum, dass eine Therapie
oder die pädagogische Begleitung weitere Straftaten
eher vorbeugen kann, als die Strafverfolgung.
Sie befürchten eine Stigmatisierung junger Täter.
Die erfolgreiche Arbeit des Hauses des Jugendrechts
in Stuttgart lässt vermuten, dass vor allem
eine ganzheitliche Betrachtung und persönliche Betreuung
einzelner Straftäter wichtig ist, um weiteren
Taten vorzubeugen und die jungen Menschen
wieder auf den rechten Weg zu bringen.
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Zwei Häuser des
Jugendrechts in Stuttgart
©LHS/Foto:FabriceWeichelt
In Deutschland gibt es derzeit über dreißig Häuser
des Jugendrechts. Deutschlandweit wurde in
Stuttgart 1999 das erste Haus des Jugendrechts
als Pilotprojekt in Bad Cannstatt gegründet. Seit
Ende letzten Jahres wurde aufgrund positiver Erfahrungen
ein zweites Haus des Jugendrechts in
Stuttgart-Mitte eröffnet.
Eine Besonderheit dieser Einrichtungen ist, dass
alle am Jugendstrafverfahren beteiligten Behörden
an einem Ort vertreten sind. Landespolizeipräsidentin
Dr. Stefanie Hinz sagte anlässlich der Eröffnung
des zweiten Hauses des Jugendrechts: „Jugendkriminalität
ist ein komplexes Phänomen und beruht
oftmals auf vielfältigen Ursachen. Daher müssen
wir sie auch ganzheitlich betrachten. Es geht nicht
nur um die einzelne Straftat und deren Verfolgung:
Die Jugendlichen selbst und ihre individuellen Lebensumstände
müssen in den Vordergrund gerückt
werden.
Und genau hier setzt das Konzept der Häuser
des Jugendrechts an. Durch gemeinsame Fallkonferenzen
sowie eine enge Vernetzung und kurze
Wege zwischen den beteiligten Stellen werden
straffälligen Jugendlichen neue Perspektiven aufgezeigt,
um sie vor einem weiteren Abrutschen in
die Kriminalität zu bewahren.“ Ein Ziel ist es also,
sich intensiv mit den Straffälligen zu beschäftigen
und mögliche Maßnahmen individuell abzuwägen.
Im Stadtteil tätige Initiativen und Dienste, vor allem
Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen werden
sinnvoll miteinbezogen.
Auf der Homepage des Stuttgarter Haus des
Jugendrechts sind Fallbeispiele aufgeführt, die zeigen,
dass die Präventionsarbeit unter Umständen
schon beginnen kann, wenn eine Schulleiterin in
die Schulsprechstunde dorthin kommt und vom auffälligen
Verhalten eines Schülers berichtet.
Wer sich näher für die umfassende Arbeit des
Hauses des Jugendrechts, für Fallbeispiele oder
auch Projekte interessiert, wird hier fündig:
haus-des-jugendrechts-stuttgart.justiz-bw.de
Weltstillwoche
Die Kinderbeauftragte der Landeshauptstadt Stuttgart,
Maria Haller-Kindler, bezieht Stellung im Luftballon.
Liebe Eltern, liebe Luftballon-Lesende,
© Fotolia/JenkoAtaman
vom 29. September bis zum 5. Oktober 2025 findet die diesjährige
Weltstillwoche statt. Mit dem Motto „Du entscheidest. Nicht die
Werbung.“ unterstützen die teilnehmenden Organisationen Mütter
und Eltern dabei, neutrale Beratung einzufordern und ein kritisches
Bewusstsein gegen kommerzielle Einflussnahme zu schärfen.
Gerade in der Anfangszeit mit einem kleinen Baby werden Eltern
mit unterschiedlichen Interessen und Meinungen zum Umgang
und zur Ernährung des Säuglings konfrontiert. Es ist mir ein großes
Anliegen, junge Familien in dieser besonderen Phase in ihrem
Selbstvertrauen zu stärken und sie dabei zu unterstützen, eine informierte
eigene Wahl zu treffen. Unsere Angebote während der
Weltstillwoche leisten hierzu einen wichtigen Beitrag und die Stillund
Wickelorte unterstützen beim selbstbestimmten
Unterwegssein in der Stadt.
Die Stadt Stuttgart setzt sich für dieses
Anliegen ein und beteiligt sich zum
fünften Mal mit einem Programm
aus Onlinevorträgen, Stillberatung
sowie einem Event vor Ort
an der weltweiten Aktionswoche.
Damit richtet sich die Veranstaltungsreihe
an alle am Stillen Beteiligten
und Interessierten, bietet
Informationen und praktische Unterstützung
und macht auf die Bedeutung
des Stillens aufmerksam.
Eingebunden in einen landesweiten Aufruf
des Hebammenverbandes Baden-Württemberg
© Thomas Niedermüller, Stadt Stuttgart
e.V. sind stillende Mütter, Eltern und Familien mit ihren Kindern
am 30. September 2025 von 10 bis 12 Uhr zu einem „Still-In“
ins StadtPalais eingeladen. Dabei kommen möglichst viele Stillende
zusammen, verleihen dem Thema ein lebhaftes und vielfältiges
Gesicht und setzen ein Zeichen für mehr Toleranz und Akzeptanz
für das Stillen oder Füttern mit der Flasche im öffentlichen Raum.
In vier digitalen Vorträgen können Eltern sich über unterschiedliche
Themen rund um Stillen, frühkindliche Entwicklung und Elternschaft
informieren. Referentinnen sind Hebammen und Stillberaterinnen
sowie die bekannte Autorin, Journalistin und Speakerin
Nora Imlau.
Weitere Informationen zum Programm und zu den Orten der Stillberatung
finden Sie unter: www.fruehehilfen-stuttgart.de/aktuelles
Eine Karte mit allen Still- und Wickelorten in Stuttgart finden Sie hier:
https://www.fruehehilfen-stuttgart.de/wickelorte
Ich wünsche allen einen guten Start in den Herbst und grüße sehr
herzlich aus dem Kinderbüro
Ihre
Maria Haller-Kindler
Wer Kontakt zum Kinderbüro aufnehmen möchte, kann dies unter
Telefon 0711-216-59700 oder per Mail unter
kinderbuero@stuttgart.de tun.
6 Aktuell Luftballon | Oktober 2025