
Titelthema:
Familienleben
& Partnershaſt
© istock / skyshner
von Isabelle Steinmill
Die Rolle der Großeltern hat sich in
den letzten Jahrzehnten grundlegend
verändert. Um das zu erkennen,
muss man nur einen Blick in
aktuelle Kinderbücher werfen, wo
Großeltern oftmals adrett gekleidet
und vital dargestellt werden. Anders
als in früheren Zeiten sind sie aktiv,
haben eigene Interessen und wohnen
nur selten dort, wo auch die
Enkelkinder sind. Wie wirkt sich das
auf die Beziehung der Enkel zu Oma
und Opa aus?
Wir selbst haben großes Glück mit unseren
Omas und Opas. Auch wenn sie nicht
gerade nah bei uns wohnen, sind alle engagiert
und springen ein, wenn wir einen
Betreuungsengpass haben. Monika, meine
Schwiegermutter, hat neun Enkel im
Alter von zwei Jahren bis Mitte Dreißig.
Seit wenigen Jahren ist sie sogar Uroma.
Damit sprengt sie die Statistik in einigen
Punkten.
Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts
zur „Generationenübergreifenden
Zeitverwendung“, die von der Sozialwissenschaftlerin
Dr. Alexandra Langmeyer
Tornier geleitet wurde, hat nämlich
Großeltern 2.0
Anders als noch vor 30 Jahren
ergeben, dass Großelternschaft aufgrund
des späten Zeitpunkts der Elternschaft und
vermehrter Kinderlosigkeit keine selbstverständliche
Gegebenheit mehr ist. So hätten
immerhin fast ein Viertel der im Deutschen
Alterssurvey befragten Siebzig- bis Fünfundachtzigjährigen
Frauen und Männer angegeben,
keine Enkelkinder zu haben. Und
diejenigen, die welche haben, hätten deutlich
weniger als früher, nämlich im Durchschnitt
drei. Neun Enkelkinder zu haben,
erscheint statistisch betrachtet also als ein
Glücksfall. Die parallele Existenz von mehr
als drei Generationen würde zudem zunehmend
selten.
Anhand der Studie lässt sich außerdem
belegen, dass Großeltern im Durchschnitt
Anfang Fünfzig sind, wenn sie das erste Enkelkind
bekommen. Frauen sind im Schnitt
etwas jünger als Männer, Eltern mit hoher
Bildung werden statistisch betrachtet später
Großeltern.
Mit der deutlich angestiegenen Lebenserwartung
haben Großmütter des Jahrgangs
1940, so zeigt es die Studie exemplarisch,
etwa dreißig Jahre gemeinsame Zeit mit
den Enkeln. Der Großvater hat ein paar
Jährchen weniger.
Gewinn für die Enkel
„Für Kinder ist es ein ungemeiner Vorteil,
enge Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie
zu haben. Großeltern können
Werte vermitteln, aber auch die ungeteilte
Aufmerksamkeit spenden. Man hat den
Eindruck, dass viele Großeltern mit den
Enkeln nachholen, was sie bei den eigenen
Kindern verpasst haben“, resümiert
Langmeyer-Tornier, die sich im Rahmen
der oben genannten Studie intensiver mit
dem Thema befasst hat.
Die Tatsache, dass die Beziehung zwischen
Enkeln und Großeltern heutzutage
enger als noch Mitte des vergangenen
Jahrhunderts ist, liege auch daran, dass
Großeltern sich mehr mit den Kindern beschäftigen,
statt nur deren elementare Bedürfnisse
zu befriedigen.
In der 37Grad-Reportage „Verbündete
im Leben – Großeltern und Enkel“ wird
deutlich, dass die Beziehung zu den Enkeln
manchmal auch eine eigenständige,
von den Eltern losgelöste ist, die bis ins
Erwachsenenalter nicht an Qualität verliert.
Man erhält den Eindruck, dass zudem
auch eine größere Schnittmenge an
gemeinsamen Interessen über Generationen
besteht. So berichtet Ingeborg, wie sie
gemeinsam mit ihrer erwachsenen Enkelin
vegan kocht und Spaß daran hat, alte Familienrezepte
neu aufleben zu lassen. Hans-Joachim
aus Bergisch-Gladbach geht mit über
neunzig Jahren mit seinem Enkel Niclas auf
die Gamescom, die weltweit größte Messe
für Video- und Computerspiele. Er genießt
es, dass sein Enkel ihn in den neuen Technologien
unterweist und letzten Endes hat
er so viel Spaß am Zocken, dass sein Enkel
ihn als „Propa“ zum erfolgreichen Youtuber
mit dreißigtausend Followern gemacht hat.
Wahrscheinlich sind solche Sachverhalte
eher selten. Jedoch ist ein allgemein großes
Engagement gegenwärtiger Großeltern
zu beobachten, auch wenn sie aufgrund der
geografischen Distanz oder eigener Interessen
vielleicht nicht immer verfügbar sind.
Die Funktion der Großeltern ändert sich
mit zunehmendem Alter der Enkel. Die
Betreuungsleistung derselben ist bei kleineren
Enkelkindern nicht zu vernachlässigen.
Großeltern springen oftmals ein, wenn die
Kita früher schließt oder die Eltern einen
beruflichen Termin haben. So sind es im
Schnitt fast fünfhundert Stunden im Jahr,
die die Enkel von den Großeltern betreut
werden.
Gewinn für die Großeltern
Nicht nur die Enkel profitieren vom Umgang
mit den Großeltern. Der Psychologe
Ralph Hertwig, Direktor am Max-Planck-
Institut für Bildungsforschung, erklärt in
einem Online-Interview, dass man nicht
Familienleben 20 & Partnerschaft Luftballon | Juli 2025