Das Trödeln und die
von Borjana Zamani
Zeitwächter
Eltern im Stress, Kinder im Flow
Versunken in der Spielwelt im Hier und Jetzt
Wir Eltern sind Wächter des Kinderalltags.
Gefühlt tausend mal täglich erinnern wir
an die Uhrzeit, Termine, Hausaufgaben
und Pflichten. Das ist nicht schön und oft
nicht einmal hilfreich. Wir haben uns im
Namen der Eltern, denen das Trödeln stets
in die Quere kommt, von Angelika Reil,
Erziehungberaterin an der Psychologischen
Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in
Stuttgart, beraten lassen.
Die häufigsten Trödelvarianten sind wahrscheinlich
das Trödeln vor dem Kindergarten, vor dem
ins Bett gehen und vor den Hausaufgaben. Je nach
Alter natürlich unterschiedlich beliebt. So einfach
das Trödeln aussieht, so schwer ist es, dem
mit Tricks entgegenzuwirken, scheint es. Denn
die Gründe sind individuell, so ein Ergebnis des
Gesprächs. Wie bei den meisten Fragen des Kindergroßziehens
ist der sicherste Weg, sie zu verstehen.
Eltern sollten überlegen, wo ihr Kind steht
und warum es trödelt.
Anderes zeitgefühl
Entwicklungsforscher erklären das Trödeln mit
dem etwas anderen Zeitgefühl von Kindern. Für
sie zählt allein das Hier und Jetzt. „Bis zum Schulalter
können Kinder den Perspektivenwechsel der
Eltern gar nicht wahrnehmen, erst ab der zweiten
Klasse kann man mit ihnen reden. Davor
muss man sie anleiten und einbeziehen, erklärt
Reil. „Wir können die Kinder vorbereiten, wenn
wir selbst schnell sind und mit dem Kind fantasieren,
was als nächstes Schönes kommt. Zum
Beispiel: Luise wartet schon auf dich. Ich ziehe
meine Schuhe an, zeig mal, wie du dich anziehen
©Tomsickova/stock.adobe.com
kannst.“ Also den Blick auf das Schönere lenken
und das Zukünftige attraktiver zeigen.
Protest oder
Entschleunigung
Doch bei aller Attraktivität des gemütlichen Bettes
fallen den Kindern erfahrungsgemäß abends die
schönsten Spiele ein, wichtiges muss beim Spielzeug
geregelt werden, auf dem Handy getippt oder
am Schminktisch geschmiert werden. Die Erziehungsberaterin
gibt einige mögliche Erklärungen
für diese dringenden Beschäftigungen. „Wenn
Kinder einmal beschäftigt sind, können sie das
nicht so schnell beenden, manchmal ist das eine
Art Protesthaltung, manchmal ein Versuch zur
Entschleunigung. Andere wollen nicht aus der Familiengemeinschaft
herausgehen oder sie genießen
gerade die Zweisamkeit, die sie mit ihrer Mama
haben, wenn die kleineren Geschwister im Bett
sind. Wieder andere haben Ängste. Dann müssen
Eltern schon mal Monster verjagen oder ein Kleidungsstück
von der Mama ins Bett mitgeben.
Konsequenzen spüren lassen
Ganz gleich, was sich die Kinder einfallen lassen,
um die Hausaufgaben zu verschieben oder ob sie
immer zu spät kommen, Eltern sollten das mit ihnen
besprechen, so Reil: „Je älter sie werden, desto
besser können sie reflektieren.“ Wichtig sei außerdem,
dass Kinder nach der Schule auch herunterkommen
dürfen und Eltern nicht stetig mahnend
in der Tür stehen. Nach der dritten Mahnung ansagen,
dass sie es nicht mehr tun und danach das
Kind die Konsequenzen spüren lassen. Und wenn
selbst das nichts verändert, sollten sie feinfühlig
bleiben und noch ein Mal das Kind fragen, ob es
eine Idee hat, wie es zum Beispiel die Hausaufgaben
schneller fertig bekommt, schlägt Reil vor.
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