Herausforderung
Erziehung
Monster unterm Bett
Kinderängste verstehen und begleiten
Titelthema
von Andrea Krahl-Rhinow
Ängste bei Kindern sind völlig normal.
Trotzdem sind sie manchmal besorgniserregend,
denn sie haben viele
Gesichter. Damit Eltern ihre Kinder
unterstützen können, müssen sie die
Ängste der Kinder erkennen, auch,
um zu unterscheiden, ob es sich um
reale Gefahren handelt oder um eine
ungesunde Entwicklung.
Sarah liegt im Bett, sie soll ihr Licht ausmachen
und schlafen. Aber Sarah hat
Angst. Immer wieder, wenn sie die Augen
schließt, sieht sie diese Figuren vor sich,
mit den Gesichtern, die sie immer wieder
in Angst und Schrecken versetzen.
Auch Felix hat Angst. Er hat kürzlich
einen Film gesehen, in dem die Mutter eines
kleinen Jungen schwer krank wurde
und starb. Jetzt hat er plötzlich Angst, dass
es seiner Mutter auch so ergehen könnte
und sie nicht mehr für ihn da ist.
Ängste können verschiedene Gesichter
haben und sehr unterschiedlich ausgeprägt
sein. Was alle Ängste eint: Sie machen etwas
mit den Betroffenen.
Angst zeigt sich durch
Körpersprache
Manche Kinder weinen, wenn sie Angst
haben, andere werden still und ziehen
sich zurück, wieder andere trauen sich
nichts mehr zu, zweifeln an ihren Fähigkeiten
oder entwickeln besonderen Ehrgeiz.
Ängste können sich sowohl in der
Körpersprache zeigen, aber auch an anderen
Reaktionen, wie beispielsweise das
Einnässen, selbst wenn das Kind längst
trocken ist, Bauchschmerzen, Kopfweh
oder allgemeinem Unwohlsein.
Wozu sind Ängste gut?
Ängste haben einen Sinn. Sie sind wichtig
und begleiten die Menschheit seit jeher.
„Angst ist für das Überleben unverzichtbar“,
sagte die Journalistin und Autorin
Hannah Arendt.
Ängste haben eine wichtige Aufgabe
als ein Teil der menschlichen Gefahrenabwehr.
„Wenn ich über eine große Straße mit
viel Verkehr gehe, dann ist Angst durchaus
angebracht“, sagt Udo Baer, Gesundheitswissenschaftler
und Diplom-Pädagoge.
Angst führt zu angemessener Vorsicht. Das
geht entwicklungsgeschichtlich auf die
sinnvolle Furcht vor wilden Tieren zurück.
Doch nicht immer resultiert die Angst aus
einer wahren Gefahr. Bei Gewitter kann ich
Angst habe, dass der Blitz einschlägt, wenn
ein Hund bellend auf mich zuläuft, kann
ich mich davor fürchten, dass er mich beißen
könnte.
Aber Ängste können auch irrational
sein und genau das macht sie so schwer
begreiflich. Denn dann spielt die Fantasie
ein übergeordnete Rolle. So können Situationen
rein in der Vorstellung Angst erzeugen.
Genau das ist Felix passiert, als er
nach dem Film dachte, auch seine Mutter
könnte sterben, obwohl es dafür keinerlei
Anhaltspunkte gab. Und natürlich ist es
auch unwahrscheinlich, dass unter Sarahs
Bett Monster schlummern oder ein Geist
im Keller hockt, wenn wir dort im Dunkeln
hinuntergehen müssen. Auch mit diesen
Ängsten heißt es umzugehen.
Angst vor Spinnen
und Gespenstern
Welche Ängste gibt es überhaupt? Einige
Kinder haben Angst vor Gespenstern, vor
Hexen, vor Ungeheuern. Andere fürchten
sich vor Spinnen, wilden Tieren oder
Quallen. Es gibt die Angst vor dem Krieg,
die Angst vor der Trennung der Eltern,
Verlustängste, wenn die Oma alt ist und
sterben könnte oder Angst vor Klassenkameraden,
vor Prüfungen, vorm Versagen
und vieles mehr.
Eine der ersten Ängste bei Kindern ist
die Trennungsangst, die gegen Ende des
ersten Lebensjahres einsetzt. Sie ist eine
Begleiterscheinung auf dem Weg zur Selbständigkeit.
Zur Trennungsangst gehört
auch die Angst beim Einschlafen, wenn das
Kind alleine im Bett liegt und sich einsam
und verlassen fühlt. Ein weiterer Ableger
der Trennungsangst ist das Heimweh, das
18 Herausforderung Erziehung Luftballon | Dezember/Januar 2024/25
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